Powder Special 2019

Es schneit seit Tagen. Unmengen. Der alte, fast museal wirkende Zweier-Sessellift hat mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel. Das Gebiet, in dem er seinen Dienst verrichtet, liegt weit weg vom Trubel des modernen, hochtechnischen Wintertourismus. Zu niedrig, zu klein – in den Ferien und an den Wochenenden zieht es mit seinen einfachen, aber stellenweise eisigen Kunstschnee-Pisten Familien und Tagesgäste aus dem näheren Umland an, die nicht weit fahren wollen und den nostalgischen Flair der Lifte und Hütten liebgewonnen haben. Ein Flutlichtabend unter der Woche sorgt an klaren, nicht zu kalten Tagen sogar für eine längere Schlange am Lift und an der Glühweinhütte. Ansonsten rauschen die Tourismus-Massen und die Verbundkartenbesitzer in der obligatorischen Blechlawine in ihr actionreiches Wochenende einfach vorbei. Heute ist alles anders: Die Lawinenwarnstufe ist hoch, manche Gebiete in den Nachbarregionen haben sogar den Skibetrieb eingestellt. Die Leute bleiben zuhause, schaufeln ihre Dächer ab, fürchten das potenzielle Verkehrschaos, vermuten Straßensperrungen. Doch der alte Zweiersessel läuft. Hievt uns ächzend wieder nach oben, wo vom Familienziehweg, seitlich zur gemächlich abfallenden, kupierten Hauptabfahrt, unsere Spuren in kleine, etwas steilere Waldschneisen führen. Wo sonst oft nur wenige Zentimeter vor sich hintauen, hat sich der Schnee fast hüfthoch über Gräben und Stämme gelegt. Das Gelände ist gerade steil genug, um uns in den wiederkehrenden Flachstücken noch genügend Auftrieb zu verleihen. Fünf, vielleicht sechs Turns ist die „steilste“ Grabenflanke lang, in der man sich durch Mischwald schlängelt und es nur mit Schwung durchs Gehölz wieder auf die Piste zurückschafft und von dort wieder zum Lifteinstieg.
Die Auffahrt, immer eine kurze Meditation. Staunen ob der Schneemenge, die das meteorologische Extrem uns beschert hat. Tauwetter ist bereits vorhergesagt, das Wunderland auf Zeit verdeutlicht uns, wie wertvoll diese Tage sind. Die breiten Noses unserer Powderboards schieben sich bei jedem Turn über die Schneemassen, teilen sie mit einem Zischgeräusch – ich verliebe mich in den Shape eines Boards, von dem ich mir sicher war, dass ich es in diesem Gelände, bei solchen Bedingungen und auf noch dreistelliger Meereshöhe nie fahren werde. Die Flocken sammeln sich auf unseren Handschuhen, Armen, Oberschenkeln und bilden während einer Bergfahrt eine dünne Schicht, die sich mit der Luft eines kräftigen Atemzugs einfach wegpusten lässt. Powder. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort ein Lebenselixier. Viel Spaß mit dem Pleasure Powder Special 2019.