Pleasure 115

Ich habe mich in den letzten 114 Heften an dieser Stelle – dem Intro, sofern vorhanden – wiederholt als Verfechter gedruckten Papiers offenbart. Ich habe versucht, meine raschelnde, unpraktische und völlig aus der Zeit gefallene Tageszeitung gegen eine schneidige App auf meinem schicken Tablet zu tauschen, aber mir ging’s mit der App genau wie dem bemitleidenswerten Sau- oder Isarpreißn mit dem Schweinsbraten. Essen kann er ihn wohl – nur das „Feeling“, das „kriagt er nie“.

Die App und ich wurden also nie ganz „warm“. Das Ding, also das Tablet, liegt zwar super in der Hand ... aber es fühlt sich technisch an. Kühl. Es funktioniert perfekt, und weckt in mir eine Erwartungshaltung. Von einem Tablet soll ich schnell, präzise und effizient informiert oder unter- halten werden. Ich wische mich beim Frühstück flugs von Artikel zu Artikel, lästere über die UX ebenso wie über die vermeintlichen Praktikanten, die für die App offensichtlich Schlagzeilen schreiben dürfen ... aber ich vertiefe mich in keinen einzigen Artikel. Beim Online-Shoppen ist das was anderes, da wischt und tippt es vorzüglich durch die diversen Angebote.

Wenn ich Zeitung lesen will, dann will ich stöbern. Durch Schlagzeilen, Bildunterschriften, und vor allem durch Themenfelder, die mich eigentlich gar nicht interessieren. Das Durchackern einer Tageszeitung ist ineffizient, unkomfortabel und meistens marmeladeverschmiert. Aber die Artikel sind nicht nur Informationen, die auf einer „Device“ abgerufen werden, sondern sie verschmelzen mit Papier und Druckfarbe und erhalten eine konkrete Dinglichkeit, die jedem gedruckten Artikel einen Wert verleiht, den zu schätzen dem Leser obliegt.

Online entscheiden Algorithmen darüber, welche Inhalte so nah an meinen Interessengebieten liegen, dass sie mir angeboten werden. Ich schmore so in meinem eigenen Saft, bombardiert von Re-Marketing und Re-Targeting, mit Produkten und Themen, die ich eigentlich schon alle kenne. Print kann das nicht. Es kennt mich nicht, hat keine Verhaltensmuster hinterlegt und zeigt mir nicht zwei Wochen lang genau den Schuh, den ich nicht gekauft habe, weil ich ihn zu hässlich fand. Ich stolpere so über Themen, die von einer Redaktion gesetzt wurden, weil es ihr angemessen erschien. Die ich aber nie selbst gewählt hätte. Ich lese Kritiken über Künstler, Musiker, Autoren, die ich vorher gar nicht kannte; Kolumnen zu Themen, zu denen ich noch gar keine eigene Meinung hatte und erkenne Zusammenhänge, die ich nie vermutet hätte. Einfach nur, weil ich mich auf ein gedrucktes Produkt anders ein- lasse, als auf ein digitales. Ich nehme mir Zeit, in einem passenden Umfeld, „in Ruhe“ meine Zeitung zu lesen.

Die 115. Pleasure-Ausgabe erscheint auf neuem Papier, mit neuem Design, neuem Konzept, anderen inhaltlichen Ansätzen. Wir lieben Snowboarden. Wir lieben Print. Und wollen deshalb eine Snowboard-Zeitschrift machen, die es wert ist, sich auf sie einzulassen. Wie gewohnt – und doch anders. Stay different.

Inhalt

132 Seiten
Shaun White Portrait
Gigi Rüf in Grönland
Stolen Paradise
Jake Welch Interview
Stick a Trick - Kicker-Slides mit Boris Bühler
Aaron Biittner Interview