Pleasure 119

Ich habe einen Hang zum Philosophischen. Bedauerlicherweise verfüge ich nur über fragmentarisch angelesenes Halbwissen, wenn es um die fundierte Geisteswissenschaft geht. Dieses setze ich aber mit Überzeugung und Begeisterung vor allem dann ein, wenn sich geneigte Zuhörerschaft findet, und vor allem das Ambiente stimmt. Da kalt servierte „Hoibe“ auf speckigen Holztischen den bevorzugten Rahmen bilden, könnte man ehrlicherweise auch davon sprechen, dass ich einen urbayrischen Charakterzug verinnerlicht habe: das „Wirtshaus-Theoretisieren“.

Dass ich seit fast zwei Jahrzehnten zudem eine als Beruf getarnte winterliche Rundreise durch die Perlen des Alpin-Tourismus tätige, kommt mir insofern entgegen, dass ich vielfältigste Gelegenheiten hatte, um in von Zirbelholzvertäfelungen und einem gepflegten „Suri“ [da Googeln hier niemanden weiterbringt: Ein „Suri“ ist ein Rausch, bevor er ein Rausch wird] befeuerten Diskussionsrunden diverse Theorien über das Wohl und Wehe, den Status Quo und die Zukunft des Snowboardens im Allgemeinen zu entwickeln. Leider wurde zwar viel ausformuliert, es hat sich aber noch niemand gefunden, der die enorm kreativen Denkansätze dann praktisch umsetzen konnte. Das „Budget“ wurde stets für Wichtigeres verplant, und irgendwann war’s dann auch wurscht, weil sich eh meist niemand aus den temporären Debattierklubs am Montag nach dem Wochenende noch mit dem Quatsch vom Samstagabend auseinandersetzen wollte. Mit Ausnahme meiner geschätzten Redaktionskollegen, die immerhin ein paar offensichtlich recht gelungene Printausgaben fabriziert haben, in denen ein paar ganz gute Einfälle umgesetzt wurden. Daher ist es nun Zeit, einmal „Danke“ zu sagen. Danke, an alle, die irgendwie „Pleasure“ sind. Mitarbeiter, Fotografen, Fahrer, Geschäftspartner – und vor allem ihr, die Leser. Die vergangene Saison – deren letzte Ausgabe ihr hier in Händen haltet – war für Pleasure eine ziemlicher Meilenstein. Neben neuem Papier, neuem Layout und neuem Format haben wir uns im Vorfeld entschlossen, auch unseren redaktionellen Ansatz zu ändern. Anstatt wie all die Jahre zuvor abzubilden, was sich in der Snowboardwelt so tut, haben wir das „sinnstiftende Element“ in den Mittelpunkt gerückt und uns auf die Suche nach Geschichten, Personen, Orten und (ja, auch!) Produkten gemacht, die in irgendeiner Form zur Beantwortung der Frage beitragen könnten, warum Snowboarden denn mehr als nur ein „Hobby“ oder ein „Sport“ ist. Oder zumindest sein kann. Wie immer sind wir natürlich an der Aufgabe gescheitert, es jedem Recht zu machen. Und wir haben es logischerweise ebenfalls nicht geschafft, Snowboarden vollumfänglich in all seinen Facetten zu würdigen. Zu vielfältig sind alle die Menschen, die gerne Snowboard fahren, als dass sich ein Kamm finden würde, über den man alle scheren könnte. Noch vielfältiger sind dabei die unterschiedlichen Interpretationen und Motivationen, irgendwo zwischen Après-Boarder-Party, der fernsehrelevanten Athleten-Szene und dem alternativen Soulboarder auf der Suche nach sich selbst – nur um ein paar Beispiele zu nennen.

Das Leitthema dieser Ausgabe 119, „Random Awesome“, ist daher kein undefinierter Überbegriff, sondern bringt ziemlich exakt die wichtigste Erkenntnisse unserer Arbeit der letzten Jahre auf den Punkt. Einerseits: Alle Klischees über Snowboarden sind wahr – es ist immer nur die Frage der Perspektive. „Random Awesome“ beschreibt die Vielfalt ebenso wie gewisse Absurdität, Individualismus ebenso wie Konformität, Punk genauso wie den geschleckten Mainstream. Ebenso „wahr“ ist andererseits, dass Snowboarden trotzdem – oder vielleicht auch deswegen – einfach der beste Sport der Welt ist. „Awesome“ eben. Und ziemlich „random“ auch. Gott sei Dank.

Inhalt

132 Seiten
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Kasachstan Travel Story
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Stick a Trick - Wallies mit Alex Tank
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Seppi Scholler Interview