Pleasure 116

Die Deutschen haben ja angeblich ein ganz spezielles Verhältnis zu Skandinavien. Ein überhöht positives, angeblich. Nachdem im 17. Jahrhundert die Schweden eine Spur der Verwüstung durch halb Europa und speziell das jetzige Deutschland gelegt haben, die ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß von menschlicher Verrohung und allen vorstellbaren Gewalttaten nach sich zog, wandelte sich das Skandinavien-Bild in Deutschlands dunkelsten Zeiten des 20. Jahrhunderts dann hin zu einem unsäglichen Ideal der Reinheit.

Heute wird Skandinavien wie kaum eine andere Kultur-Region dazu benutzt, die unerfüllten Sehnsüchte vieler Mitteleuropäer abzubilden. Die Menschen sind schön und klug, dazu freundlich und gebildet. Die Städte sind pittoresk, die Gesellschaft ist solidarisch, modern, heterogen und integrativ. Alle duzen sich, die Jobs sind gut bezahlt, Rohstoffe werden nicht knapp, die Sonne geht nie unter, und manchmal auch nicht auf, was schade ist, weil man im Dunkeln die unglaubliche Schönheit, Weite und Vielfalt der Landschaften nicht erkennen kann. Ach, ja, und verhältnismäßig reich sind natürlich auch fast alle.
So leben sie da „oben“, in ihrer Idylle, und sind durchwegs glücklicher als alle anderen Menschen der Welt – zumindest, wenn man kitschigen Filmen im Samstagabend-Programm Glauben schenken möchte. Da muss man fast dankbar sein, dass es das enorm erfolgreiche Genre der Skandinavien-Krimis gibt, um daran zu erinnern, dass sich die Abgründe des Menschseins überall auftun. Bei allen Klischees, die das heutige Skandinavien-Bild in den Köpfen der Menschen verankert haben, kommt’s aber noch schlimmer (für uns): Das alles stimmt ja auch noch. Zumindest teilweise.

Als Snowboard-Magazin kommt man, neben der allgemeinen Verklärung der Zustände, nicht umhin, in Skandinavien, speziell Norwegen und Finnland, die eigentlichen Kernländer der europäischen Snowboard-Szene zu sehen. Es sind bis auf wenige Ausnahmen (Hallo Schweiz!) in erster Linie die Fahrer aus Norwegen und Finnland, die einerseits der nordamerikanischen Übermacht im globalen Contest-Geschehen Paroli bieten. Andererseits bringen die Szenen der skandinavischen Länder immer wieder Talente hervor, die nicht nur durch ihre „Performance“ und dem abartig hohen Fahrlevel überzeugen, sondern vor allem auch authentische Typen sind. Es mag sein, dass die Mentalität der Skandinavier, der Stellenwert von Wintersport, oder einfach nur das kalte Klima, die langen Winter und eine verlässliche Schneedecke besonders geeignet sind, um die Snowboardszenen sich besser entwickeln zu lassen. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass durch die dunklen Wintertage und das dadurch nötige Flutlicht 12-Stunden-Snowboardtage auf harten Parks in Stadtnähe eine Normalität darstellen.

Tatsache ist, dass neben den Nordamerikanern vor allem die skandinavischen Fahrer die globale Entwicklung des Snowboardens maßgeblich beeinflussen. Früher, jetzt und wohl auch in der Zukunft. Grund genug, diesem nordischen Element eine Themenausgabe zu widmen und einen Blick auf die Essenz der Faszination des Nordens zu werfen: Das Licht, die Landschaft, die Menschen.

Inhalt

132 Seiten
Nordic Summer Vacation
Jussi Oksanen Interview
Sweden Got Talent
Len Roald Jørgensen Interview
Eero Ettala x Nitro Snowboards
Wappulounas Travel Story
Taking Laps - Sami Luhtanen