Powder Special 2020

Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft müsste dieses Pleasure Powder Special reißenden Absatz finden. Sofern es denn als Powder Special erkannt wird. Denn aufgrund der Betriebsamkeit umtriebiger amerikanischer Anwaltskanzleien mit erschreckendem Halbwissen, aber enormen Wadlbeißer-Qualitäten, ziert im Gegensatz zu den vergangenen Jahren der beliebte „Pleasure“-Schriftzug wieder das Cover, um jegliche mit haarsträubenden Argumenten heraufbeschworene Verwechslungsgefahr mit einem nordamerikanischen Ski-Magazin zu vermeiden. Halleluja, soweit kommt’s noch. Also: Pleasure drauf, Powder drin – alles da. Denkste. Wo sich vor Jahresfrist noch gut zwei Meter Schnee türmten, kann ich mir im T-Shirt mein mittägliches „mobile Office“ einrichten. Nämlich an meinem Lieblings-Tisch auf meiner alpinen Lieblingsterrasse an meiner Lieblingshüttenmauer. Statt einer von unentwegten Konditionsmonstern gelegten Spur mit meinen Split-Gurkerln den Weg durch Schneemassen zu folgen, bin ich strampelnd mit dem Rad da. Fast sommerlich, auf der Forststraße. Abgesehen von der Hoffnung, dass sich Powder-Specials aufgrund der Powder-Verknappung 2020 verkaufen wie warme Semmeln, biete ich als Sommerfrischler im Januar also ein eher armseliges Bild. Fast hätte ich das Brotzeitbrettl mit der kitschig karierten Serviette für einen Insta-Food-Shot drapiert, was aufgrund der überwiegend braunen Almwiesen im Hintergrund aber mein digitales Powder-Hound-Image gefährdet hätte, das ich mir eigentlich in dieser Saison endlich aufbauen wollte. Ein Schluck kühles Helles zum Radieserl erleichtert mir das Eingeständnis, dass mein Hausberg für die aktuelle Wetterlage geographisch ungünstig (nur Nordstau bringt Schnee!) und zudem sowieso viel zu niedrig ist, um ernsthaften Freshie-Ambitionen zu genügen.
Wie immer in diesen Momenten holt mich ein Spezl, nennen wir ihn „den Dude“ – wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: Ich bin einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. „Der Dude“ ist tiefenentspannt. Er lebt in den Zentralalpen. Er hat keinen Hausberg, sondern ein ganzes verdammtes Haus-Gebirgsmassiv. Und auf der anderen Seite des Tals noch eins und zwischen den Seitentälern auf beiden Seiten noch mehr. 2000, 3000, 4000 Meter hoch. Damn. Er bekommt Schnee aus dem Süden und dem Westen. Oft. Und dem Norden, wenn’s sein muss. „Der Dude“ schickt immer nette Whatsapp-Videos. Nur sehr selten Instagram-Posts, fast nie Stories. Wegen Digital Detox und Abschalten und so. Nur Whatsapp, direkt adressiert. Von Powderruns an traumhaften Hängen, mit fluffigem Neuschnee auf einer stabilen Unterlage, die sich seit November auftürmt. Ohne Touristen, nur er und sein Kumpel mit ihren Splitboards. Und der Filmer, der die Line so geil findet, dass er immer „Yeah“ und „Uhuuhuu“ und andere Urwaldlaute bei jedem Turn in die iPhone-Aufnahme schreit. Und am Ende schwenkt er immer noch mal übers Tal, die Line und den ganzen Hang zurück bis zum Drop-In. Das ganze Panorama. Ich kenne den Filmer nicht (nur den Dude), aber ich weiß, dass er ein sonnenverbranntes Grinsen grinst, während er über sein Telefon in die Sonne blinzelt und filmt. Mir fällt das Referat eines glaubwürdigen Psychologen ein, über die magische Seite des Schnees, der die aufgewühlte, gestresste, orientierungslose und verunsicherte urbane Gesellschaft beruhigen könne, indem Wintersport „spirituelle Demutserfahrungen und risikoreiches Abenteuer in einem zugespitzten Ereignis“ ermögliche. Der Dude grinst wissend, und fellt noch einmal auf. Vielleicht wird er morgen wieder ein Video schicken.

Inhalt

148 Seiten
Jake Blauvelt
Max Buri
Crater Lake
Blake Paul
Splitboarding
Powder Boards
Thomas Delfino
Jeremy Jones
Mazedonien
Shelter
Yuzawa
Less is More
... und vieles mehr!