Localism

Slant
Stefan Geissmann
Cat King Carl
Erschienen in
Powder Special 2019
Eileen Broadhead

Localism

Bestimmt liegt es primär an der Schönheit der jeweiligen Orte, der Topographie und an den klimatischen Bedingungen. Ein Wintersportgebiet wird nicht irgendwo hin gepflanzt. Welche Anziehungskraft die Gebiete auf die Gäste haben, scheint jedoch mehr von anderen Faktoren abzuhängen. Marketing spielt dabei sicher eine grosse Rolle: das Familienskigebiet wird durch die Benennung erst zu dem, was es sich selbst zuschreibt. Marketing allein reicht dabei natürlich nicht aus. Ein ernsthafter Park stellt immer noch die grundlegende Voraussetzung für das Label eines Freestyle-Gebiets dar. Ein guter Park zieht motivierte Leute an und wenn dann Backcountry und Nachtleben auch noch etwas hergeben, dann entsteht eine Sogwirkung, die über die Summe der einzelnen Teile herausgeht. Eine Aura von Coolness legt sich über die Orte und lässt sie als etwas noch Begehrenswerteres erscheinen; wie eine Unterhose von Supreme oder der Stempel vom Berghain. Der Berghain ist ein Club und die Unterhose eine Unterhose. Und doch wird so viel Zusätzliches in sie hineininterpretiert. Der entscheidende Punkt daran ist der, dass sich die Grossmutter und Jochen aus der Spedition nicht ausmahlen können, was daran so toll sein sollte. Sie teilen schlicht nicht dieselben Werte. Es sind die Werte der jeweiligen Subkulturen, die aus einem Schriftzug oder einem Club erst etwas Begehrenswertes machen. Wir, die uns für Snowboarden interessieren, haben unsere eigenen Vorstellungen davon, was als erstrebenswert gilt und was nicht.

Sonderbare Orte

Skigebiete sind für Snowboarder prinzipiell Orte der Sehnsucht, oder weniger blumig ausgedrückt: Dealer des weissen Goldes. Sie ermöglichen uns, dem Alltag zu entfliehen, mit der Planke auf dem Berg rumzugurken und Andere zu treffen, die dasselbe tun. Skigebiete an sich sind jedoch auch leicht sonderbare Orte. Aus kleinen Bergdörfern entstanden Wintersportorte, die mit anderen Dörfern oder Regionen fusionierten, um zu Sport und Vergnügungsdestinationen zu werden. Wobei sich das Attribut der Destination auf wenige Monate im Jahr beschränkt und sich im Sommer oft nur eine Handvoll Wandervögel in den Orten herumtreibt. Es sind Orte temporärer Anziehung.


Ursprung von Cool

Den Locals muss das egal sein. Sie wohnen sowieso dort. Doch während der Saison bilden sie Projektionsflächen für die Besucher, die davon träumen, ein Stück so zu sein wie sie. Wobei wohl nicht jeder Bergler dasselbe ausstrahlt. Historisch gesehen waren es wohl immer die Bergführer und Skilehrer, die unangefochten über die grösste Credibility verfügten. Zum einen verwurzelt im Bergdorf und bewundert von den Eigenen, zum anderen ein Teil der Bergwelt, die sich den Fremden öffnet, ihnen das Skifahren und die Besteigung der Gipfel ermöglicht. Sie waren wohl die Ersten, die in den Bergdörfern so etwas wie Coolness ausstrahlten. Es begann sich aber wohl ein soziales System herauszubilden, das nicht mehr nur auf ökonomischem Kapital Kapital beruhte, sondern das soziale Kapital mit einbezog. So war nicht länger lediglich der reiche Bauer hoch angesehen, sondern auch der Bergführer, der zwar weniger Geld besass, jedoch durch den Kontakt mit den so wichtigen Gästen an Prestige gewann. Es war also möglich, sich in diesem Gefüge aus Dorfleben und Tourismus sozial abzuheben, ohne Unsummen von Geld zu besitzen.

Abgrenzung gegenüber dem Pöbel und soziales Kapital in Coolio-Dollars sind also die Hauptanliegen des Homo Snowboardensis.

Den ganzen Artikel zu Localism lest ihr im Powder Special 2019. Habt ihr nicht? Ja shit! Dann besser direkt hier bestellen oder – noch viel besser – Abo abschließen oder Online abonnieren, Prämie absahnen und nie mehr eine Ausgabe verpassen.