Influencers: Halldór Helgason

Portrait
Tassilo Hager
Erschienen in
Pleasure 121
Stefan Götschl

Influencers: Halldór Helgason

Snowboardings Number One Dirtbag ist weder in einem abgeranzten Trailerpark, noch einem Vorstadt-Ghetto aufgewachsen. Halldor Helgason und sein Bruder Eiki stammen aus einer ganz normalen isländischen Familie und sind traditionell bürgerlich erzogen worden. Der leicht schmuddelige, schlabbrige Look und das desaströse Verhalten auf jeder Party mussten sich über die Jahre erst hart erarbeitet werden, vor allem da die beiden Helgasons im nüchternen Zustand bis heute eher als höflich und zurückhaltend zu beschreiben wären. Doch wo andere über die Zeit mit Leberschäden und sozialer Isolierung bestraft werden, schaffte es Halldor durch sein Trunkenbold-Image und seinen sehr individuellen Kleidungsstil zum Star zu werden. Die Hosen an den Knien enger genäht oder aber mit Schuhbändern eng zusammengebunden, dazu ein bis zwei verschiedenfarbige T-Shirts über einem ebenfalls bunten Hoody, fertig war Halldors Signature-Kleidungsstil, den tausende Kids weltweit kopierten.

Der eigentliche Durchbruch gelang Halldór um 2008, dank der Videos der kleinen skandinavischen Produktionsfirma Factor Films. Streetrails und Ledges wurden von ihm bereits auf Pro-Level dominiert. Dass er auch auf Jumps ein unglaubliches Talent hatte, war ihm damals noch nicht bewusst. Sein bis heute sehr geringes Risikobewusstsein machte es ihm möglich, sich in Rekordzeit alles vom Backside 180 bis zum Double Cork 1260 anzueignen.

Nur zwei Jahre später holte er bei den X-Games 2010 schließlich Gold im Big Air und wurde zum ersten Fahrer, dem ein Perfect Score von 100 Punkten gelang. Nach diesem Abend standen die Telefone nicht mehr still und eine bis dato im Snowboarden eigentlich nicht bekannte Situation trat ein: Nike kaufte Halldor aus seinem bestehenden Vertrag bei DC heraus. Plötzlich standen im finanzielle Mittel zur Verfügung, die manch anderer in seinem Alter wohl für schnelle Autos und unnötigen Firlefanz ausgegeben hätte. Halldor hingegen entschied sich für einen anderen Weg: Lobster Snowboards, Switchback Bindings, 7/9/13, Hoppipolla Headwear und ganz neu Atrip Apparel, hinter all diesen Marken verbirgt sich der Unternehmer Halldor Helgason. Preisgelder und die finanzielle Unterstützung seiner anderen Sponsoren hat er genutzt, um das Marken-Portfolio zu pflegen und zu erweitern. Mit seiner Videoproduktionsfirma Sexual Snowboarding ist ihm dabei ein relativ genialer Schachzug gelungen. Nicht nur hat er eine Plattform geschaffen, auf der er sich selbst, seine Freunde, seine Sponsoren und die eigenen Unternehmen präsentieren kann – nein, der bewusst amateurhafte Look der Videos richtet sich direkt an seine Fans. Jeder kann Clips einsenden und landet mit etwas Glück im Sammel-Part des nächsten Films.

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Kaum ein anderer Pro arbeitet so stark daran, nach außen hin kein Superstar-Image zu vermitteln, wie Halldor. Sein, sagen wir, etwas „unkonventionelles“ Äußeres passt perfekt zu diesem Bild. Halldor ist der Gegenentwurf zum kalifornischen Contest-Boy, der seine Sponsoren-Kohle am liebsten für Haarpflege-Produkte verwendet. Zusammen mit seinem Bruder Eiki lebt der gebürtige Isländer mittlerweile steuergünstig in Monaco, Gerüchten zufolge teilen die beiden ihr Hab und Gut zu gleichen Teilen.

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