Wenn Snowboard-Pros zur Marke werden

Portrait
Tassilo Hager
Erschienen in
Pleasure 124/125
Stefan Götschl

Wenn Snowboard-Pros zur Marke werden

Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten gibt es im Snowboarden eine Welt außerhalb von Wettkampfsiegen, neuen Bestzeiten und Rekorden. Auch in den Produkten spiegelt sich diese Besonderheit wieder. Denn gilt es bei der Entwicklung und Vermarktung von Ausrüstung anderer Sportarten meist ausschließlich darum, immer leichter, schneller und innovativer zu werden, spielen bei Snowboard-Equipment auch andere Faktoren eine Rolle. Die Optik sowie das Image eines Produktes, beziehungsweise dessen Herstellers, sind meist genauso wichtig wie die Funktionalität. Dieses Alleinstellungsmerkmal bringt Firmen, die von außerhalb des Boardsport-Segments in den Markt dringen, oft zur Verzweiflung, denn jedes Produkt scheint hier erfolglos zu sein, wenn es zwar innovativ ist, aber nicht zum Lifestyle und den aktuellen Trends dieses Mikrokosmos passt. Wer könnte daher besser als Berater dienen, als diejenigen, die jeden Tag auf dem Snowboard stehen. Sponsoring ist seit Beginn ein elementarer Teil der Snowboardkultur. Die Motivation einer Firma, einen bestimmten Fahrer zu sponsern, ist dabei eigentlich ganz einfach zu umschreiben. Das Produkt soll den Fahrer besser machen oder aber der Fahrer macht das Produkt besser, respektive authentischer. Optimalerweise entsteht aus der Zusammenarbeit am Ende ein Signature-Produkt, dessen Eigenschaften den Bedürfnissen und dem Style des Fahrers entsprechen, gleichzeitig aber auch das Know-How und Image der Marke transportieren. Was aber passiert, wenn aus dem Fahrer im Laufe der Zeit selbst eine Marke wird?

Shaun Palmer war vielleicht der Erste, der neben seinem Snowboarden vor allem durch sein unverkennbares Auftreten zur Marke wurde. Anfang der Neunziger war er mit rot gefärbter Clownsfrisur und in der amerikanischen Flagge gekleidet auf Contests und in seinen Videoparts zu sehen und wurde zu einem der auffälligsten Charaktere im professionellen Snowboarden der damaligen Zeit. Sein Sponsor Sims nutze seine Bekanntheit und verkaufte Shauns Pro-Model-Board rauf und runter. Palmers steigende Popularität führte am Ende aber dazu, dass er Sims verließ und mit Palmer Snowboards 1995 seine eigene Board-Marke ins Leben rief. Auch wenn er die Markenrechte mittlerweile an einen Schweizer Investor verkauft hat, der unter den Namen Palmer neben Boards auch Ski verkauft: einige Winter war das Original doch recht erfolgreich. Die Zeiten, in denen Pros einfach ihren Namen nutzen konnten, um daraus eine erfolgreiche Boardmarke werden zu lassen, sind heute zwar vorbei. Nichtsdestotrotz gibt es noch immer genügend geschäftstüchtige Fahrer, denen ihr Marktwert durchaus bewusst ist – und vom Marktwert zum Markenwert ist es kein großer Schritt.

Mit Burton unterschrieb Shaun White 2008 einen Zehnjahres-Vertrag und sein Logo prangt seitdem auf seinem Pro-Board, zwischenzeitlich hatte er aber auch Signature-Boots und mit der White-Collection eine komplette Outerwear-Serie mit seinem Namen. Mit zwei olympischen und fünfzehn X Games Gold-Medaillen wurde er weit über die Snowboardwelt hinaus bekannt. Nach seiner Goldmedaille in Vancouver 2012 kürte ihn das renommierte Medienunternehmen Bloomberg gar zum „2nd most powerful athlete in the world“. Da Snowboarden es aber niemals auch nur in die Top-Ten der zehn beliebtesten Sportarten der Welt schaffen wird, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Shaun irgendwie größer wurde als Snowboarden selbst und er sich daher als ehrgeiziger Karrierist neu orientieren musste. Unter dem Markennamen „White Supply“ erhält man daher „Action-Sport-Spielzeug“ für Kinder; zusammen mit dem US-Discount-Retailer Target entwarf Shaun Streetwear-Kollektionen für Kids und Jugendliche; er lieh Ubisoft für eine Videospielreihe seinen Namen und mittlerweile steht die Marke Shaun White auch für großangelegte Investments, wie etwa die Übernahme des Air & Styles oder aber einer Beteiligung an Mammoth Resorts, die ihm für 38 Millionen US-Dollar die beiden Skigebiete Big Bear und Snow Summit überließen.

Auch wenn Travis Rice der wahrscheinlich zweitbedeutendste Snowboarder der Neuzeit ist, finanziell spielen er und Shaun noch in völlig unterschiedlichen Ligen. Was die Wahrnehmung der Marke Travis Rice angeht, hat er jedoch perfektioniert, was kaum einem anderen zuvor gelungen ist: Sein Logo prangt firmenübergreifend auf all seinen Signature-Produkten. Die drei Tropfen finden sich auf Boards von Lib Technologies; auf Outerwear, Goggles und Accessoires von Quiksilver; Boots und Schuhen von DC sowie seiner Bindung bei Union. Das eigentlich Geniale an diesem Logo ist dabei die Story, die sich dahinter verbirgt: Die drei Tropfen begleiten Travis bereits seit gut zehn Jahren und repräsentieren zum einen die drei verschiedenen Aggregatzustände von Wasser. Fest wie in Eis und Schnee, flüssig wie in Wasser und gasförmig wie in Wasserdampf. Mit seinem Vierjahres-Filmprojekt „The Fourth Phase“ machte er sich quasi auf die spirituelle Suche nach dem vierten Aggregatzustand. (In der Physik gibt es diesen Aggregatzustand übrigens tatsächlich, hier ist von Plasma die Rede). Zum anderen steht sein Logo aber auch für die Berge, die Ozeane und alles, was dazwischenliegt – eine weitere Thematik, die in „The Fourth Phase“ angesprochen wird. Travis betont, dass der Weg des Wassers gleichzeitig der Weg des Lebens ist und beendet den Film mit einem Statement von seinem langjährigen Freund Bryan Iguchi: „This process we follow, this cycle we ride“ ... Vielleicht schafft es Travis Rice ja demnächst sogar, aus seiner Marke eine religiöse Bewegung werden zu lassen. „Snowbuddihsm“ wäre mein Vorschlag.

Ähnlich markenübergreifend funktionierten übrigens auch die Logos von Sebastien Toutant und Marco Feichtner. Beide Logos kamen bei Ride Snowboards für deren Signature-Boards zum Einsatz, Seb hatte zusätzlich noch einen eigenen Bindungs- und Boot-Colorway mit Logo-Platzierung. Auch O'Neill verwendete Sebs Logo für seine Signature-Outerwear.

Doch wie entsteht so ein Logo eigentlich überhaupt? Im Falle von Marco Feichtner war es ein Designer seines Outerwear-Sponsors 686, der die Idee ins Leben rief. Die beiden Initialen zusammen mit dem Wappentier Österreichs und einem Piraten-Motiv für Marcos langjährige Film-Crew Pirate Movie Production vereint – und schon hatte der Vorarlberger ein repräsentatives Logo, das im Laufe seiner Karriere neben 686 Outerwear und Ride Snowboards auch bei seinen Deeluxe Boots, Level Gloves und Electric Goggles zum Einsatz kam. Kein schlechter Schnitt und für einen europäischen Fahrer sicherlich einzigartig. Mittlerweile hat Marco nach seiner Karriere als Snowboard-Pro ein kleines Business mit Gravuren gestartet und veredelt zum Beispiel Motorradteile. Sein Wappen wurde dabei kurzerhand zum neuen Firmenlogo.

Dass sich eine Investition wie in Torstein Horgmo für DC Snowboarding lohnen muss, ist klar. Um sicherzustellen, dass Torstein-Fans sich bei der Wahl der passenden Produkte nicht allzu schwer tun, wurde ein eigenes Logo für die „Torstein Collection“ gelauncht. Die Rechte für dieses Logo liegen hier aber nicht bei Torstein selbst, sondern bei DC, weshalb beispielsweise auf seiner Oakley-Signature-Goggle stattdessen das Shredbots-Maskottchen zu finden ist. Unternehmerisches Kalkül von Seiten DCs? Am einfachsten wohl zu beantworten, indem man abschließend auf die Frage vom Anfang eingeht: Was tun, wenn der Fahrer selbst zur Marke wird? Vielen Marken im Snowboarden ist mittlerweile bewusst, dass sie wahrscheinlich nicht für immer mit einem Fahrer zusammenarbeiten werden. Sponsorenwechsel und Karriereenden haben schon so manches erfolgreiche Produkt sabotiert, schließlich kann man kein Pro-Model mehr unter dem Namen eines Fahrers verkaufen, wenn dieser mittlerweile für eine ganz andere Firma oder gar nicht mehr unterwegs ist. Aus diesem Grund ist man gerade bei Boards vermehrt dazu übergegangen, einen Decknamen für ein Signature-Produkt zu verwenden. Im Falle von DC und Torstein wäre dieser „Media Blitz“. Sollte Torstein jemals DC verlassen, wäre das mittlerweile gut etablierte Board zwar kein „Media Blitz by Torstein Horgmo“ mehr, aber immerhin noch als Media Blitz zu verkaufen. Ähnliches hatte K2 zuvor mit Wille Luomas Turbodream-Board gemacht, das nach Willes Karriereende sogar kurzzeitig zu Danny Larsens Signature-Board wurde. Unzählige weitere Beispiele ließen sich aufzählen. Doch am Ende bleibt eines festzuhalten: Jedes Produkt braucht eine Story, um es verkaufen und bewerben zu können. Im Snowboarden ist die Story des Pro-Models zum Glück noch immer eine der spannendsten.

Dieser Artikel erschien original in der Pleasure Doppelausgabe 124/125. Habt ihr nicht? Skandal. Am besten direkt hier bestellen. Oder noch besser: Prämie absahnen, Geld sparen, nie mehr eine Ausgabe verpassen und Abo abschließen.