Magic Moment: Chandro Chapin & Martin Rutz

Interview
Christian Öfner
Gian Paul Lozza
Laax
Erschienen in
Pleasure 120
Stefan Götschl

Magic Moment: Chandro Chapin & Martin Rutz

Sieht aus wie kühnster Photoshop-Wahn auf kolumbianischem Edel-Koks ... sind aber Chandro Chapin und Martin Rutz, die 2000 in (mehr oder weniger) sicherer Entfernung über einen Powderkicker springen, während Marco Lutz für sein Meisterwerk Moment’s Notice filmt und ein Sprengstoffexperte die ganze Szenerie in die Luft jagt und in Flammen aufgehen lässt.

Marco, bei allem Respekt, aber wie zum Geier kommt man auf die Idee, Powderkicker in die Luft zu jagen?
Ich weiß nicht mehr ganz genau, auf wessen Mist der Shoot gewachsen ist. Es kann aber gut sein, dass Chandro das mal im Spaß erwähnt hat. Nur hat er nicht damit gerechnet, dass ich das direkt aufschnappe und dann wirklich in die Tat umsetze.

Wie findet man ein Gebiet, das so einen Plan unterstützt?
Stell dir vor, du rufst in einem Skigebiet an und erklärst den Leuten, dass du vorhast, Sprengstoff mit ins Resort hochzunehmen, um damit Kicker zu sprengen. Da gibt es Telefonate, die unaufgeregter verlaufen.

Wo fand die Session statt?
In Laax. Wo wir von Anfang an auf offene Ohren gestoßen sind. Das war ja nicht die einzige verrückte Idee, die wir in Laax umgesetzt haben. Meine damalige Ansprechpartnerin war Ariane Ehrat, eine ehemaliger Skirennfahrerin und toughe Verhandlungspartnerin.

Wie konntest du sie von deinem Unterfangen überzeugen?
Ich war damals kein unbeschriebenes Blatt und hatte kurz davor als Guest Editor des Snowboarder MBMs einen Artikel über Laax geschrieben und darin viel Werbung für Laax gemacht. Dieser Bonus wurde honoriert ... und war wahrscheinlich sogar entscheidend.

Wie lange habt ihr an der Idee getüftelt, bis sie spruchreif war?
Das waren ein paar Wochen. Wir hatten ein kleines Shape-Team und haben damit in einer Area, die uns von Laax abseits der Piste zur Verfügung gestellt wurde und die als sicher galt, ein paar Jumps vorgebaut. Gedreht wurde alles innerhalb von drei Tagen.

Wie lange warst du damit beschäftigt, Fahrer zu finden, die bei dem Plan nicht sofort weglaufen?
Die hatten ja keine andere Wahl. [ lacht ] Chandro Chapin und Martin Rutz waren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ... und haben viel Vertrauen in mich gesetzt. Wir mussten uns langsam herantasten. Bei der ersten Explosion hat man das Timing auf Sicherheit gesetzt. Die beiden Fahrer springen lassen und erst dann gezündet, als sie weit genug weg waren. Im Laufe der Zeit wurde dieser Abstand immer kürzer.

Chandro Chapin
Marco Rutz
Gian Paul Lozza
Laax

Wie läuft so etwas technisch ab? Ihr habt ja wohl keine Dynamitstangen vergraben und einfach die Lunte angezündet.
Es handelt sich um Effekt-Explosionen, eine spezielle Mischung aus Mottenkugeln und Schwarzpulver. Medizinballgroße Böller, die mit Duck Tape eingewickelt werden. Klar gibt’s da auch eine Druckwelle, allerdings ist die nicht mit TNT zu vergleichen. Das Gefährlichste war das Benzin, das in Wannen und Müllsäcken neben den Jumps platziert wurde, um sich für den Feuerball zu entzünden. Die Bomben wurden in ein Loch unter dem Kicker gesteckt und mit einem Draht verbunden. Gezündet wurde über eine Autobatterie. Drei, zwei, eins ... Wumms.

Hattet ihr einen Sprengstoffexperten an eurer Seite?
Ja. Unser Stuntkoordinator war damals allerdings auch noch grün hinter den Ohren. In der Nacht vor dem Shoot hat er stundenlang an den Bomben gebastelt. Bis das ganze Hotel nach den Mottenkugeln gestunken hat. Am Tag darauf wurden uns zwei Transport-Wägelchen vor die Tür gestellt. Die haben wir komplett mit Bomben vollgepackt und sie in die Gondel gefahren. Zusammen mit den Touristen. Heute wäre das kaum noch vorstellbar. Das war wie im Wilden Westen. Niemand konnte ahnen, was wir da vorhaben.

Auch nicht die Zuschauer an den Pisten.
Jaja, die Kicker standen zwar nicht direkt im Gebiet, aber nahe genug, um sie von den Pisten aus zu sehen. Die Leute haben das ahnungslos aber mit Interesse verfolgt ... und dann hat’s irgendwann Wumms gemacht. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen konnte: Während der nächsten drei Wochen fiel kein Schnee, weshalb die tiefen Krater mit den großen, schwarzen Löchern ewig zu sehen waren.

15 Jahre sind seitdem vergangen. Angenommen, du müsstest die Arbeit wiederholen, würde es ähnlich verlaufen?
Ganz ehrlich, ja. Vom Effekt her würde man es genau gleich machen. Allerdings würde es heute viel schwieriger werden, eine Bergbahn zu finden, die das cool findet und unterstützen würde. Wahrscheinlich sähen heute auch die Jumps anders aus ... aber Hands aufs Herz: Das war schon ganz gut. Und ich würde es wieder so machen.

Marco Lutz
Über Marco Lutz

Zwischen 1998 und 2003 war Marco Lutz verantwortlich für insgesamt sechs, nicht minder legendäre und einflussreiche wie leider auch international nicht ausreichend honorierte Snowboard lme. Filme wie „Moment’s Notice“ und vor allem „Kingsize“ sollte jeder Snowboarder mal gesehen haben. Bis heute blieb der 1972 in Winterthur geborene Schweizer der Arbeit an der Kamera treu und hat sich mit Filmen unter anderem für Credit Suisse, Ikea und die Schweizer Bundes­ bahnen als sehr erfolgrei­cher Regisseur etabliert.