Standpunkt: Nicolas Müller – "es liegt an uns"

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PLSR-Online

Standpunkt: Nicolas Müller – "es liegt an uns"

Am Dienstag haben wir die News vermeldet, dass sich Nicolas Müllers Sponsoren ThirtyTwo und GNU von ihm getrennt haben. Kurze Zeit darauf ging ein Kommentar unseres Redakteurs Stefan Götschl online. Nicolas ist kein schlechter Mensch, geschweige denn ein Rassist, wie es in einigen Social-Media-Kommentaren hieß. Dennoch war eine Reaktion auf die von ihm seit Monaten geteilten Inhalte überfällig, was auch die Resonanz auf diversen Kanälen bestätigt. Das komplette Pleasure-Team wünscht Nicolas nur das Beste und hofft, dass unter anderem auch unser Beitrag dabei hilft, die Diskussion ab sofort in eine konstruktive Richtung zu lenken. Um unseren Standpunkt hinsichtlich der veröffentlichten Artikel jedoch einmal mehr klar zu machen, haben wir uns dazu entschieden, eine interne Nachricht, welche Chefredakteur Bene Heimstädt an das Team gerichtet hat, auch hier zu veröffentlichen.

Liebes Team,

ihr alle habt den Aufruhr um Nicolas Müller, seine Posts und unseren Artikel mitbekommen. Wir haben uns klar gegen Nicolas' Inhalte gestellt. Die Situation hat sich nicht verändert, ganz im Gegenteil. Mit jedem Post und Kommentar, den ich in den letzten Tagen und Stunden gelesen habe, manifestiert sich die Überzeugung, dass wir als Pleasure hier richtigerweise nicht „neutral“ sein können. Nicht nur wir/ihr als Person, sondern auch Pleasure als „Marke“ und Medium könnt und sollt eine Position beziehen.

Nicolas Posts, Links und seine letzten Stories als Reaktion darauf sind nicht vereinbar mit der Weltsicht, die Pleasure selbst im weitesten Sinne verbreiten will.

Ich kenne Nicolas seit dem SPC Summercamp in Hintertux Mitte der 90er-Jahre. Sein erstes Interview bei Pleasure, zusammen mit Fredi Kalbermatten, liegt über 20 Jahre zurück, Nicolas war damals 16 Jahre alt. Ich persönlich würde behaupten, dass er mich mit seinem Riding, aber auch seiner ruhigen, freundlichen Art stark beeinflusst hat.

Ich habe nicht das geringste Interesse daran, Nicolas als Mensch öffentlich zu demontieren und damit das Denkmal einzureißen, das er sich mit seinem unnachahmlichen Style und seiner Boardkontrolle gebaut hat.

Aber leider haben sich die Dinge anders entwickelt. Ich habe Nicolas entfolgt, als mir krude 5G-Theorien zu viel wurden. Ich habe mich entschieden, einfach nicht mehr hinzuhören und mich stattdessen an seinen Powder-Butters und Co. zu erfreuen. Zuletzt auf dem Cover unsers letzten Powder-Specials 2019.

Aber das Wegschauen funktioniert nicht mehr. Im letzten Intro, zu Beginn der Corona-Krise und noch bevor „Black Lives Matter“ ein globales Thema wurde, hab ich das Intro der Ausgabe 134 folgendermaßen beendet:

Es liegt an uns. Eine „geläuterte, bessere Welt“ entsteht nur, wenn WIR es sind, die Haltung zeigen. Und zwar dann, wenn es darauf ankommt. Daher großen Respekt an Stefan, der sich mit seinem Kommentar in der globalen Snowboard-Szene positioniert hat und hinter dem ich 100 Prozent stehe.

Die Kommentarflut, die wir erhalten haben, will ich gar nicht detailliert aufarbeiten. Nur so viel: Wir haben durch den ersten Post – und die später nachgeschobene englische Version – einen Platz geschaffen, an dem man sich austauschen kann. Die Meinungen und Positionen, die dort bezogen werden, weichen von den eigenen oft massiv ab - aber die einigermaßen gesittete Diskussion ist positiv zu bewerten - immerhin ein Anfang.


Leider scheint bei Nicolas selbst der Weg zu einer Einsicht noch sehr weit. Hier die Screenshots seiner Stories von heute:

Stefan hat antisemitischen Inhalt bei Nicolas bemängelt. Darin bezog er sich auf Nicolas Instagram-Stories bezüglich George Soros und der jüdischen Weltverschwörung (siehe Nicolas Bezug darauf im ersten Screenshot).

Um das einzuordnen, zitiere ich einen hervorragenden Artikel des Berliner Tagesspiegels, den ihr unbedingt lesen solltet:

"Was „Verschwörungstheorien“ so gefährlich macht, ist letztlich ihre strukturelle Sündenbockfunktion, ihre Herstellung von eindeutigen Feinbildern. Und hier nun kommt der Antisemitismus ins Spiel. Zwar ist nicht jeder Verschwörungsmythos dezidiert antisemitisch. Die Antisemitismusforschung aber zeigt, dass auch vermeintlich „harmlose“ Verschwörungsnarrative an antisemitische Welterklärungsmodelle anschlussfähig sind."

Zudem haben wir rassistische Inhalte angeprangert. Nicolas hatte in seiner Insta-Bio auf ein Youtube-Video von einem Scammer namens „Young Pharao“ mit 450.000 Followern gelinkt. Inhalt: Die Regierungen seien von Freimaurern unterwandert und der Tod von George Floyd sei nur vorgetäuscht, um Rassenunruhen zu provozieren, damit die New World Order leichter durchzusetzen sei.

Die Leugnung des Todes von George Floyd habe ich als rassistisch eingeordnet.

Zudem teilte Nicolas ein Cartoon-Video, das ebenfalls suggerierte, dass die Polizeigewalt gegen POC nur inszeniert sei. Auf YouTube hier die ersten 30sec (das geteilte Video von Nicolas ist auf IGTV deutlich länger und expliziter die Mainstream-Medien beschuldigend.)

Alleine diese beiden Clips rechtfertigen unsere Reaktion, meiner Meinung nach. Zudem ist Nicolas Wortwahl, z.B. „PLANdemic“ statt „Pandemic“, schon vielsagend. Die Verdrehung der Bezüge ist ebenfalls ein typisches Muster. Er behauptet, wegen dem Soros-Bezug als Rassist bezeichnet zu werden.

NEIN. Wegen der obigen Videos aber durchaus. Der Soros-Bezug als Anspielung auf eine jüdische Weltverschwörung dagegen ist antisemitisch. Auch dieser Bezug wird im Artikel des Berliner Tagesspiegels gut erklärt.

Ich persönlich sehe Nicolas' Entwicklung mit großer Traurigkeit und wünsche ihm, dass er in seinem Umfeld Menschen findet, die ihn aus dem Labyrinth herausführen, in dem er sich verirrt hat.

Seine Posts lassen allerdings keinen Diskussionsspielraum und erfordern eine eindeutige Positionierung, auch gegen Nicolas in dem Fall. Post und Person zu trennen ist in diesem Fall (wenn überhaupt) nicht möglich.

Bitte, lest euch den Artikel vom Tagesspiegel durch, ich leihe mir den Schlusssatz:

"Der Ungeist formiert sich immer wieder neu, man muss ihm die Stirn bieten, wo man ihn trifft, egal ob im privaten oder öffentlichen Raum; im Analogen oder Digitalen. Die Psychologin und Verschwörungsexpertin Pia Lamberty hat mit Studien belegt, dass Verschwörungsideologen nicht selten auch Gewalt als politisch legitime Ausdrucksform erachten. Häufig sind sie nicht bloß verblendete Idioten, sondern Feinde der offenen Gesellschaft."