Reto Neiger, Gründer von Zensnow baut hochwertige Zustrom Snowboards. Im Interview erklärt Reto, worauf es beim Snowboard-Bau ankommt.

Zensnow Custom Snowboards - Reto Neiger im Interview

Interview
Bene Heimstädt
Vernon Deck
Erschienen in
Pleasure 129
Bene Heimstädt

Zensnow Custom Snowboards - Reto Neiger im Interview

Reto Neiger war vor mehr als 20 Jahren einer der besten Schweizer Freestyle-Snowboarder. Inzwischen baut Reto mit seiner Marke "Zensnow" hochwertige Custom-Snowboards. Im Interview erklärt der Zensnow-Gründer worauf man beim Snowboard-Kauf achten sollte, was sein absolutes Lieblings Board ist und wie unterschiedliches Gelände die Art Snowboard zu fahren prägt und beeinflusst.

Erinnert sich noch jemand an die Sendung "Z.E.N – Zuschauen, Enstpannen, Nachdenken"? Das Bayrische Fernsehen versuchte damals in den 1990er Jahren zu später Stunde aufgekratzte Nachtschwärmer oder sonstige Schlaflose mit einer Kombination aus Landschaftsbildern und dazu rezitierten teils hochliterarischen Texten wieder auf den Boden zu holen. Reto Neiger aus dem idyllischen Berner Oberland war vor mehr als 20 Jahren einer der auffälligsten Schweizer Nachwuchs-Freestyler und wurde deshalb auch in der Frühphase von Pleasure mit einem Interview bedacht! 

Doch die Jahre und Jahrzehnte zogen ins Land, und inzwischen ist Reto mit seiner Marke Zensnow eine der Speerspitzen einer neuen Shape-Bewegung im Snowboarden. Als hervorragender Snowboarder mit dem Talent, genau zu beobachten, zu analysieren und einzuordnen, erregt Reto in letzter Zeit viel Aufsehen mit seinen individuellen Custom-Snowbaord-Kreationen: Klassisch anmutende Allround-Boards mit Camber-Profil, die in ihrer minimalistischen Perfektion geradezu beruhigend wirken in Zeiten des rastlosen Massenkonsums, in denen aktuell die abgefahrenen Shapes die Neon-Jacke der Gegenwart zu sein scheinen. Zensnow-Boards umgibt eine Aura von Ambition und Leistungsfähigkeit, in der sich nicht nur Design-Anspruch, Handwerkskunst und Leidenschaft treffen, sondern in der auch genügend Platz für hemmungslosen Fahrspaß bleibt. 

Video Embed Media

Zensnow Snowboards - Custom Boards für erfahrene Rider

Dass diese Gemengelage vor allem erfahrene, gute Fahrer anspricht, die genau wissen, was sie wollen, lässt sich nicht nur daran erkennen, dass Zensnow-Fahrer auf jedem größeren Banked Slalom der letzten Saison das Podium besetzen, sondern dass auch Legenden wie der unnachahmliche Michi Albin aus dem Engadin sein aktuelles Board von Reto bauen ließ. Bei einem Zensnow-Brett ist sofort offensichtlich, dass es für Menschen gemacht ist, für die ein Snowboard keinesfalls nur Sportgerät, Spielgerät oder gar Spielzeug ist.

Snowboarden wurde in den 90er-Jahren groß, mit einem sehr extrovertierten, lauten und imagegetriebenen Lifestyle. Retos Ansatz mit Zensnow und den individuell perfektionierten Boards verkörpert einen geradezu gegensätzlichen, eher introvertierten Ansatz, in dem auf die Einheit von Fahrer, Fahrkönnen, Fahrstil und Material geachtet wird, um die Vielfalt der Optionen, die man als Snowboarder hat, auch ausnutzen zu können.

Reto Neiger - Zensnow Custom Snowboards im Interview.
Vernon Deck

Pleasure: Reto, dass du ein erfahrener Snowboarder bist, zeigt sich auch an der Tatsache, dass du vor ca. 125 Pleasure-Ausgaben schon einmal ein Interview hattest, damals noch als Freestyle-Hoffnung aus dem Berner Oberland. Wann und warum hast du begonnen, dich ernsthaft mit dem Bau von Snowboards auseinanderzusetzen?

Reto Neiger: Das muss ungefähr 2008 gewesen sein, also vor gut zehn Jahren. Ich hatte damals ein absolutes Lieblingsboard, das "168er Burton Baron ES". Leider fiel es damals dem üblichen Produktzyklus zum Opfer und wurde vom Markt genommen. Ich bin dann auf ein Burton Custom X Wide 167 umgestiegen. Auch ein sehr gutes Snowboard, aber ich hatte das Gefühl, dass es da für meine Fahrweise noch Optimierungsbedarf gab. Und so habe ich mich eben zunehmend mit dem Thema auseinandergesetzt und begonnen, selber Snowboards zu bauen.

Auf deiner Website ist die Rede von 30 Jahren Snowboard-Erfahrung. Das heißt, du hast bei der Boardentwicklung alles miterlebt und dich bewusst für den Custom-Bau und gegen eine Serien-Produktion entschieden. Aus Überzeugung, oder aus wirtschaftlicher Vernunft? 

Ich habe schon immer gerne mit den Händen gearbeitet. So bin ich aufgewachsen und erzogen worden. Wenn man etwas haben wollte, überlegte man sich zuerst, wie man das machen könnte, und nicht wo man das kaufen kann. Zudem haben sich die Locals aus der Snowboardgeneration vor mir überwiegend ihre Boards selber gebaut. Auch das hatte großen Einfluß auf mich und hat mich inspiriert. Es gab so viele Geschichten um den Snowboardbau in den frühen Jahren – etwa über das eine Board, das in einer Gips-Form gebaut wurde, die dann gecracked ist. Oder die Stahlkanten, die man von Skiern demontiert hatte, um sie dann auf die Boards zu kleben.
 

Der Custom-Boardbau gehört seit jeher zur Snowboard-Kultur
Reto Neiger

Die Shape-Revolution ist in vollem Gange und es gibt inzwischen ja auch sehr interessante Shapes bei den größten Industrie-Marken. Es waren aber vor allem Kleinserien-Hersteller, die Marktnischen für den Trend zu individuelleren Boards und Shapes geöffnet und en vogue gemacht haben.

In meiner Wahrnehmung gehört der Custom-Boardbau seit jeher zur Snowboard-Kultur. Im Custom-Boardbau liegen die Anfänge des Snowboardens, wie auch beim Surfen. So spiegelt der Boardbau die ganzen Boardriding-Bewegung wider. Boardbau ist Freestyle, aber weitergeführt ins Handwerk. Stell dir vor, du lässt dir ein Board bauen und dann stellt sich heraus: Es ist das ultimativste Board ever. Das ist ein Riesen-Erlebnis…

… das hoffentlich als Ergebnis am Ende eines jeden Shape-Projekts steht.

Na klar. Wenn man sich ein Custom-Board bauen lassen will, ist es absolut von Vorteil, wenn du genau weißt, wie und wo du fahren willst. Mit dieser Erkenntnis sollte man dann zu einem Shaper gehen, der genau weiß, was er macht. Unter diesen Voraussetzungen ist aus einem Custom Shape sicher noch das gewisse Etwas rauszuholen, was das Board von der Stange vielleicht nicht hat.
 

Vernon Deck

Der fundamentalste aller Tricks, der Turn, feiert ja gerade ein Revival in der Carving-Bewegung. Mit ihr rücken auch immer mehr „spezielle“ Shapes in den Vordergrund. Du setzt dagegen mehr auf die Allround-Tauglichkeiten deiner Boards. Ist das der Kern der Zensnow-Philosophie?

Ich finde, dass die speziellen Shapes etwas überbewertet werden. Zumindest was die Fahreigenschaften betrifft. Ich habe da einen etwas ganzheitlicheren Ansatz und möchte mich nicht von den vielleicht wechselnden Bedingungen oder Geländeformen einschränken lassen. Ich fahre lieber mit ein und demselben Board am Vormittag Powder, mittags in der Pipe und am Abend Chinese-Downhill bis ins Tal.  
 

Zensnow: One Day, One Mountain, One Board - ein Board für Alles

Du bist also kein Anhänger des Trends, der zum Zweit- und Drittbrett geht?

Nein, da muss ich zugeben, dass ich kein großer Fan der sogenannte Quiver-Bewegung bin. Meine Devise ist eher "Eines für Alles." One Day, One Mountain, One Board. 

Mit dem Slogan könnte man ja fast schon einen Aufkleber machen. Aber im Ernst: Jeder kennt doch die Situation, dass man eigene Defizite beim Fahrkönnne eher dem Material anlastet. Wie wichtig ist das richtige Brett, um die individuellen Fähigkeiten zu verbessern und als Snowboarder zu wachsen? Und wie wichtig im Gegensatz - oder im Zusammenspiel? - das Mindset des Snowboarders?

Grundsätzlich kann man als Fahrer alles kompensieren. Also alle Eigenschaften beim Board ausgleichen, die eigentlich nicht perfekt zum eigenen Fahrstil passen. Man sollte sich aber die Frage stellen, ob man seine begrenzte Energie aufs Kompensieren richten will, oder lieber darauf, das nächste Level zu erreichen. Meine Empfehlung für ambitionierte Fahrer und Fahrerinnen ist ganz klar: Wähle einen Boardcharakter, zu dem du dich ein wenig hocharbeiten musst. Wenn du diese Herausforderung meisterst, ist die Belohnung groß.

Größter Fehler beim Boardkauf: Die falsche Einschätzung des eigenen Könnens

Du bietest deinen Kunden auch ausführliche Beratung zum Snowboardkauf an. Was sind die größten Fehler beim Boardkauf, vor denen du deine Beratungskunden bewahren willst?

Ich denke der größte Fehler wäre, ein Produkt zu kaufen, das man dann gar nicht brauchen kann. Das wäre Verschwendung. Jeder ist auf seinem eigenen Level und will Spaß haben. Deshalb musst du realistisch einschätzen können, wo du stehst und wo du hin willst. Als ich begonnen habe, Boards zu bauen, habe ich gemerkt, wie schwierig es ist, etwas wirklich Funktionierendes herzustellen. Ich habe lange die Defizite meiner eigenen Boards kompensieren müssen, bis es dann schlussendlich geflutscht hat. Um das aufzulösen, habe ich gelernt, mich und andere immer differenzierter zu beobachten und die Erkenntnisse in den Boardbau umzusetzen. Zudem schrecken meine Freunde Raymond und Gino mit konstruktiver Kritik nicht zurück. Es gibt immer viel zu lachen und zu lernen.

Da interessiert mich jetzt das Ergebnis dieses Lernprozesses: Was ist dir ganz persönlich an dem Board wichtig, das du aktuell fährst?

Ich fahre seit drei Jahren fast immer dasselbe Board. Alle Zensnow-Boards sind nach den folgenden Kriterien gebaut: Wichtig ist, dass ich überall so schnell fahren kann, wie ich will, ohne Angst zu bekommen. Ich überhole damit wirklich viele Skifahrer - und schaue dann immer zurück. Wenn ich will, hievt mich nach Dreiviertel des Turns, der hintere, engere Radius förmlich aus der einen Kurve in die nächste rein - das ergibt ein irres Fahrgefühl. Der Flex ist so auf mich abgestimmt, dass ich bei einem Nose- oder Tailpress lange in Position bleiben kann, ohne dass sich das Board zu stark durchbiegt.

Im Powder darf die Schaufel nicht den Schnee verdrängen, sondern muss schnell ins Gleiten kommen

Im Powder ist mir vor allem eins wichtig: Die Schaufel darf nicht den Schnee verdrängen, sondern muss möglichst schnell ins Gleiten kommen. Deshalb ist sie sehr flach und ausreichend steif. Auch das Tail ist entsprechend groß, damit lässt es sich schön fakie weiterziehen. Es ist mir wichtig, dass mein 168er über die gesamte Belagsfläche mit dem kreuzversetzten Steinschliff behauen ist und regelmässig gewachst wird.

Du hast vorhin betont, dass das "Wo", also das Gelände, in dem gefahren wird, auch ein ganz entscheidender Faktor ist. Du bist im im landschaftlich beeindruckenden Berner Oberland zuhause. Welchen Einfluss hatte dein "Hausberg" auf dein Entwicklung als Snowboarder?

Einen sehr großen Einfluß, natürlich! Mein Vater war bereits Anfang der siebziger Jahre beim Bau der Meiringen-Hasliberg-Bahnen involviert und später dort als technischer Leiter tätig. Er brachte er mir bereits mit zwei Jahren das Skifahren bei. Später aber entdeckte ich Snowboarden und erkannte sofort unendliches Potential. Es entstanden in der Folge am Berg unzählige prägende Erinnerungen, und ich spürte schon bald bei einigen besonderen Erlebnissen, dass es im Leben so etwas wie eine höhere Führung geben muss.

Der Hasliberg hat einfach alles zu bieten, was sich ein Riderherz wünschen kann. Und die Betonung liegt dabei auf „Rider“, im Sinne von „Boardrider“. Besonders erwähnen muss ich die spezielle Geländeform am Tschuggilift, der „nur“ ein Schlepplift ist. Die Gräben und Rinnen ergeben dort ein Channelsystem, das man total unterschiedlich interpretieren kann. Man kann es Surf-, Skate- oder Snowboardstyle fahren. Diese Art zu Snowboarden hat mich und meine Shredbuddies geprägt, und dadurch natürlich auch meine Art Boards zu bauen extrem beeinflusst. Ich kann jetzt schon sagen: Es hat sich gelohnt dafür zu leben. 

Vielen Dank. 

Du willst ein Zensnow Custom-Board von Reto Neiger? Alle Infos und Beratung gibt's hier...

zensnow.com

facebook.com/zensnowcom

instagram.com/ridezensnow